Alligator Soup: Die Voodoo-Medizin, das Blech und der Swing
High Fidelity Blues des ausgehenden letzten Jahrtausends – das Album Alligator Soup ist ein unbekannter Klassiker von Mardigras.BB
Fast ein ganzes Jahrzehnt vor C.W. Stoneking wanderte die “Mardi Gras Bold-Bold Brass Band” bereits auf den selben verschlungenen Pfaden tief ins Mississippi Delta, irgendwo in die Nähe von New Orleans, fing sich ein Dschungel-Fieber ein und nahm Voodoo-Medizin. Irgendwie marschierten sie aber zu einem anderen Beat als der eben genannte, verpassten eine Abzweigung und landeten mitten in der Karnevalsparade am fetten Mittwoch.
Geboren in Deutschland wurden sie mit der Aufarbeitung eines musikalischen Erbes aus Delta Blues, Second Line Funk, New Orleans Hotjazz und schwergewichtigem Big Band Blech nicht nur berühmt in Deutschland und berüchtigt in Frankreich, sondern bekannt in der ganzen Welt. Ein paar Alben lang bei einem Major Label unter Vertrag haben sie von Acid Jazz bis Hiphop eine Menge zeitgenössische Einflüsse ihrer ureigenen Melange einverleibt und sogar mit DJ Mahmut einen Plattenkratzer als reguläres Bandmitglied aufgenommen.
Was macht es “Alligatorsoup” wert, hier diskutiert zu werden?
Genau genommen gibt es nur eine Nummer auf dieser Platte – Jungle Telegraph – die das Prädikat “Swing” verdient. Dann gibt es da noch ein paar “pixelige” Soundspielereien, die, von heute aus gesehen, besser weggelassen worden wären. Auf der anderen Seite, die zeitgenössischen Einflüsse, massiv präsent auf ihren späteren Alben, sind auf diesem Album, ihrem ersten auf Vinyl, nur eine dezente Randerscheinung. Und dann ist da diese dichte 40er-Jahre-Athmosphäre, die sie 1999 aus dem Nichts heraus erzeugen konnten, glückliche Konzertbesucher können das bezeugen, das haben sie mit “Alligator Soup” auf Vinyl gebannt – das ist es, was dieses Album hörenswert macht. Swing DJs hören dieses Album eher zu Hause und schwelgen in dem Gedanken, wie gut neu aufgenommener Swing klingen kann. Nebenbei ist es auch der perfekte Soundtrack zum Bourbon Tasting in eurer Lieblingskaschemme.
Der Sound:
Gerade schon erwähnt – es gibt ein paar Soundspielereien wie digital verzerrte Intros (Stand der Technik: 1999), wabernde Zwischenspiele und ein ganzes auf Low-Fi getrimmtes Stück, die alle dem Zweck dienen, Euch auf einen fiebrigen Ätherwellentrip zurück in die Tage zu schicken, als noch allein das Radio die Herrschaft über unsere Imagination hatte. Dies beiseite gelassen, hat die Aufnahme ein dezentes Hifi-Mastering genossen, das Fatness generiert, ohne zu viel Kompression einzusetzen. Auf den natürlichen Sound der tonnenschweren Bläsersätze ist Verlass. Das Album wurde an einem Wendepunkt in der Bandgeschichte aufgenommen, als die Band gerade dabei war, den Vertrag mit Hazelwood Vinyl Plastics zu unterschreiben und mit einem Auge darauf schielte, in nicht allzu ferner Zukunft ein Major-act zu werden. So wurde beim Mastering das Bestmögliche aus einer Low-Budget Produktion herausgeholt und das Ergebnis ist das positive Gegenteil einer überproduzierten Nummer fürs Musik-TV.
Tanzbar?
Vielleicht tanzbar, wenn du das Experiment liebst oder dich gern jeder Herausforderung stellst. An alle Anderen: Entspannt euch, nehmt Platz, gönnt euch ein Glas Moonshine.
Sammlerstück?
Eigentlich eine recht rare Scheibe, da es auf Vinyl nur eine kleine Auflage beim Weltmusik-Indie-Label Lollipop Shop gibt, doch das Album zählt zu den unbekannten ihrer vielen Veröffentlichungen. Die aufgerufenen Preise auf den üblichen Plattformen sind deshalb absolut annehmbar. Man braucht nur etwas Gedult.